Myrtis

Über "Myrti" und "Myrtis"
Dieses Gedicht wurde 1983 geschrieben, nach meinem ersten Besuch des archäologischen Ortes von Keramikus, dem Friedhof im alten Athen. Ich habe dem Gedicht den Titel «Myrti” gegeben nach einem Text, den ich damals gelesen habe, aber an den ich mich nicht mehr erinnere. "Myrti" stand in meinem zweiten Buch (Cortes und Pizarro, verlegt 1990).
Es war ein prophetisches Gedicht, als 27 Jahre später, im Frühjahr 2010, eine internationale wissenschaftliche Gruppe unter Leitung eines griechischen Arztes ankündigte, den Kopf und eine Büste nach dem Skelett eines Mädchens zu rekonstruieren. Das Mädchen wurde von der Attischen Seuche befallen und ist ca. 430 v. C. gestorben (es handelt sich um die gleiche Krankheit, an der auch Perikles starb).
Die wissenschaftliche Gruppe hat sich entschieden, diese rekonstruierte Gestalt "Myrtis" zu nennen und nach so vielen Jahrhunderten eine „Stele“ (Grabstein) für dieses unbekannte Mädchen im Keramikus aufzustellen.
Ich wusste nichts von diesem Projekt und sie wussten nichts von meinem Gedicht. Nachdem die Gruppe ihre Arbeit angekündigt hatte, nahm ich Kontakt auf zu dem Leiter des Projektes, und er hat das Gedicht bei der Vorstellung dieses Projektes in verschiedenen Museen mit einbezogen.

Myrti
Dein Gesicht gefällt mir
Als Du aus dem Spiegel schaust
Dein Haar aus einer alten Zeit
Deine Schriften
Deine Gedanken
Im Nebel, in der Vergangenheit bist Du vergessen
Du hast Dich übers Wasser gebückt um Dich selbst zu sehen.
Narzissus, was hast Du gesehen?
Du warst nicht in Dich selbst verliebt
Du warst blas und müde
Du wurdest verleugnet
Auf der Grabenstrasse von Keramikus
Auf einer schöne Kopie sahst Du Hegeso
Und Dexileo auch, den reichen, ungerecht verlorenen Reiter
Ein wunderbarer Stier hat seinen Schatten geworfen
Und Du bist zum Heridanus gelaufen
Dem Fluss der im Lykabettus entspringt
Aber jetzt ein Sumpf ist.
Ein Nebel der Vergangenheit hat Dich genommen
Und in seinen Schleier eingewickelt
Namen-Referenzen des Xenophon
Und die Sonne dort fest stehend, gnadenlos
Gleich für Gestorbene und Lebende
Dein Gesicht gefällt mir
Du bist nun verloren im Staub der Milchstraße
Nein! Schüttel Dich nicht aus den Staub
Für Dich wird auch eine Stein-Stele im Keramikus stehen
Zeugnis Deines Lebens in alter Zeit
Thessaloniki, 8.3.83

Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen

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